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Simone Derix Tarnt Thyssen Schuld – Rechnitz Revisited II

Die Thyssens haben es stets vermieden, Einzelheiten ihrer Nazi Vergangenheit zu offenbaren, und zwar über eine Mischung von Leugnung, Verschleierung und Bestechung. Doch mit der Veröffentlichung unseres Buches „Die Thyssen-Dynastie“ 2007 und den Enthüllungen zum schrecklichen „Rechnitz Massaker“ wurde es immer schwieriger, diese Philosophie aufrecht zu erhalten. Familienmitglieder beschlossen endlich, über die Fritz Thyssen Stiftung zehn Akademiker zu beauftragen, um ihre persönliche, gesellschaftliche, politische und industrielle Vergangenheit umzuschreiben (in der Serie „Familie – Unternehmen – Öffentlichkeit. Thyssen im 20. Jahrhundert“) und damit ihren Ruf aufzupolieren.

Dieser Plan ist zum Teil aufgegangen und zum Teil nicht, denn trotz ihrer geschmiedeten Pläne offenbaren diese Bände oft mehr als es den Thyssens wahrscheinlich recht ist, sei es direkt oder durch die Bloßstellung von Widersprüchen.

Wir rezensieren hier die von der Thyssen Organisation gesponsorten Abhandlungen in der Abfolge ihres Erscheinens und werden dies auch mit dem neuesten Band, „Die Thyssens. Familie und Vermögen“ von Simone Derix tun. Zunächst jedoch wollen wir einen einzigartigen Bestandteil des Buches untersuchen, denn der neueste Band ist gleichzeitig, ein ganzes Jahrzehnt nach unserer Veröffentlichung, die erste offizielle Thyssen Publikation, die eine Beschreibung dessen enthält, wie die Dynastie im Leben der Gemeinde Rechnitz, und insbesondere bei den Vorfällen des „Rechnitz Massakers“ vom 24./25. März 1945 in Erscheinung getreten ist. Es ist ein Thema, das uns ganz besonders am Herzen liegt.

Leider hat die Fritz Thyssen Stiftung Simone Derix erlaubt, die gerade einmal sieben Seiten (einer 500 Seiten starken Abhandlung, die sich von ihrer Habilitationsschrift ableitet) einem Manifesto einzuverleiben, das sowohl eine Public Relations Arbeit für die Thyssens wie auch ein Ausdruck ihrer eigenen, ambitionierten Selbstdarstellung im „neuen“ Feld der „Reichen-Forschung“ ist. Dabei ist die Grundaussage von Derix die, dass die Thyssens ob ihres herausragenden Reichtums gefeiert werden sollten, während sie für ihre Viktimisierung durch Journalisten, Berater, Staatsgewalten, Verwandte, Bolschewisten, Nationalsozialisten, etc., etc. zu bemittleiden sind.

Das macht Derix zu der Art Verteidiger, von denen Ralph Giordano gesagt hat, dass sie nicht müde werden, „aus Opfern Täter und aus Tätern Opfer zu machen“. Die Tatsache, dass der Deutsche Historikerverband es für angebracht gehalten hat, Simone Derix für ihre Arbeit den Carl-Erdmann-Preis zu verleihen, der nach einem wahren Opfer nationalsozialistischer Verfolgung benannt ist, verstört zusätzlich.

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Deutschland war ein Spätentwickler in Sachen Industrialisierung und Nationalstaat und stieg mit einer explosionsartigen Energie auf die internationale Bühne empor, die zur Katastrophe führen sollte. Während die unfassbar hart arbeitenden Brüder August und Josef Thyssen im Mittelstand verankert waren und von dort Ende des 19. Jahrhunderts das enorme, industrielle Thyssen-Vermögen erschufen, kehrten August’s Söhne Fritz Thyssen und Heinrich Thyssen-Bornemisza, unter dem Einfluss ihrer gesellschaftlich ehrgeizigen Mutter, dem Bürgertum den Rücken zu und benutzten ihren ererbten Wohlstand dazu, in einen neuartigen, hoch reaktionären Landadel aufzusteigen.

Derix beschreibt, wie Fritz Anfang des 20. Jahrhunderts, weitab der ursprünglichen Thyssen-Basis in der Ruhr, das Rittergut Gleina bei Naumburg/Saale pachtete, das Rittergut Götschendorf in der Uckermark kaufte und verkaufte und das Rittergut Neu Schlagsdorf bei Schwerin, sowie Schloss Puchhof in Bayern kaufte. Wir wussten bereits, dass Heinrich unter anderem den Rennstall Landswerth bei Wien, das Gestüt Erlenhof bei Bad Homburg, mit Rennstall in Hoppegarten bei Berlin und die Gut Rechnitz im österreichischen (vordem ungarischen) Burgenland erstand.

Durch unsere Forschungen wissen wir, dass die Thyssen Brüder auf den Ländereien des jeweils anderen jagten. Dies widerlegt einmal mehr die fadenscheinige Behauptung, die in der Serie „Familie – Unternehmen – Öffentlichkeit. Thyssen im 20. Jahrhundert“ immer und immer wieder, auch von Simone Derix, vorgebracht wird, dass Fritz und Heinrich Thyssen sich nicht verstanden hätten. Es ist eine Behauptung, die darauf abzielt, die Synergien in den wirtschaftlichen Unternehmungen der Thyssen Brüder zu verschleiern, insbesondere jene, die dem Nazi Regime zuträglich waren.

Beide Männer verhielten sich wie Feudalherren, die die Zufuhr von billigen Arbeitern und Zwangsarbeitern zu schätzen wussten, die Ihren Unternehmen durch die Unterdrückung von Arbeiterbewegungen und durch internationale, bewaffnete Konflikte geboten wurden, für die Ihre Fabriken Waffen und Munitionen lieferten. Die Thyssen Brüder mischten sich in eigennütziger Weise in die Politik ein, und zwar offen (Fritz) bzw. hinter den Kulissen, über diskrete, diplomatische und gesellschaftliche Kanäle (Heinrich) – obwohl Letzteres von Derix und ihren akademischen Kollegen vehement bestritten wird.

Beide Thyssen Brüder halfen dabei, den Nazis zum Aufstieg zu verhelfen. Aber Simone Derix versucht wiederum, sie als die schuldfreien, in die „Falle“ gelockten, illustren Industriellen darzustellen, die sie zu keinem Zeitpunkt gewesen sind.

1933 schaffte es Heinrich’s Tochter Margit – durch ihren unerbittlichen Vater, ihre anti-semitische Mutter und ihre pseudo-fromme, elitäre Sacré Coeur Erziehung verdorben -, die im Rechnitzer Schloss geboren und aufgewachsen war, den Status der Familie durch ihre Einheiratung in den ungarischen Adel (Ivan Batthyany) zu erheben – Das Gleiche erreichte auch Fritz Thyssen’s Tochter Anita (Gabor Zichy).

Am 8. April 1938, eine Woche nach dem Anschluss Österreichs an Nazi Deutschland, übertrug Heinrich Thyssen-Bornemisza sein Gut Rechnitz, welches einst jahrhundertelang (von 1527 bis 1871) im Besitz der Batthyanys gewesen war, an Margit. Unsere Forschungen deuten darauf hin, dass dies geschah, sodass der im Tessin verschanzte Baron keine offensichtlichen Besitzungen im Deutschen Reich mehr aufwies.

Simone Derix gibt an, dies sei statt dessen aus steuerlichen Gründen geschehen.

Da alle seine deutschen Firmen durch holländische Finanzinstrumente gehalten wurden, waren die schweizer Behörden, die, obwohl offiziell neutral, bis zur Kriegswende 1943 pro-Deutsch eingestellt waren, versichert, dass Heinrich Thyssen für sie nicht zum politischen Problem werden würde.

Über sein Unternehmen Thyssensche Gas- und Wasserwerke (später Thyssengas) finanzierte Heinrich Thyssen-Bornemisza sowohl Schloss Rechnitz als auch das Ehepar Batthyany-Thyssen diskret weiter. Während des Zweiten Weltkriegs verwendete seine Ruhr-Zeche Walsum, die zu Thyssengas gehörte, Zwangsarbeiter in der Größenordnung von zwei Dritteln der Gesamtbelegschaft; ein Rekord in der damaligen deutschen Industrie. In der Umgebung von Rechnitz wurden bergbauliche Interessen durch Thyssengas ausgeschöpft.

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Während Jahrhunderten war das riesige Rechnitzer Schloss, in dessen Hof, so wurde gesagt, ein ganzes Husarenregiment exerzieren konnte, das Machtzentrum von Rechnitz gewesen. Wie genau veränderte sich diese Situation nachdem die Nazis in Österreich die Staatsgewalt übernommen hatten? Wo genau in Rechnitz installierte sich die Partei mit ihren verschiedenen Organisationen?

Simone Derix liefert keine Antworten auf diese Fragen, obwohl sie mittels viel wortreichem Wirbel vorgibt, genau das zu tun. Stattdessen schreibt sie in vager, ausweichender Manier: “…..die Batthyanys (fanden) auf Schloss Rechnitz im Zweiten Weltkrieg mit Repräsentanten der NSDAP und des NS-Regimes ein einvernehmliches Auskommen“.

1934 lebten 170 Juden in Rechnitz. Am 1. November 1938, eine Woche vor der Reichskristallnacht, wurde Rechnitz als „Judenfrei“ erklärt, eine Situation die gewisse Mitglieder der Thyssen Familie begrüßt hätten (siehe hier). Doch Simone Derix weigert sich, den Antisemitismus von Schlüsselfiguren der Familie anzuerkennen. Sie beschränkt diese Eigenschaft statt dessen auf Randfiguren.

Im Frühjahr 1939, so Derix, wurde Hans-Joachim Oldenburg, dessen Vater Oberingenieur bei Thyssen war und der selbst auf landwirtschaftlichen Gütern der Thyssen-Familie gearbeitet hatte, nach Schloss Rechnitz gesandt, um dessen Bewirtschaftung zu übernehmen, welche sich schon bald auf Zwangsarbeiter aus dem ganzen Nazi-besetzten Europa stützte.

In jenem Sommer kam Franz Podezin als Beamter des Gestapo Grenzpostens nach Rechnitz. Er war seit 1931 ein Mitglied der SA gewesen und wurde später SS-Hauptscharführer. Er wurde ebenfalls Leiter der NSDAP in Rechnitz.

Simone Derix kommentiert: „Beide (Dienst)stellen (von Podezin) waren räumlich getrennt“, aber sie sagt nicht, wo genau diese Stellen lokalisiert waren. Stefan Klemp vom Simon Wiesenthal Zentrum hat geschrieben, dass das Hauptquartier der Rechnitzer Gestapo im Rechnitzer Schloss war. Entweder ist seine Aussage korrekt oder aber Simone Derix hat Recht, wenn sie sagt, dass Podezin erst im Herbst 1944 ein Büro im Schloss bezog, als er NSDAP Leiter des Unterabschnitts I des Abschnitts VI (Rechnitz) des Südostwall-Baus wurde.

Indem sie Klarheit vermissen lässt, umgeht Derix den wunden Punkt und trägt zur Rechtfertigung von Schuldigen bei – insbesondere der Thyssens als Besitzer, Geldgeber und „Herrschaften“ des Schlosses.

Die Aktivitäten an diesem verstärkten Verteidigungssystem, welches die Rote Armee aufhalten sollte, wurden von der Organisation Todt koordiniert (geleitet vom Rüstungsminister Albert Speer), vom Wehrmacht Generalmajor Wilhelm Weiss, und, im betreffenden Abschnitt, vom Gauleiter der Steiermark, zu der das Burgenland damals gehörte, Siegfried Uiberreither.

Ortsansässige und Zwangsarbeiter verschiedener Nationen wurden eingesetzt. Ihre Behandlung hing von ihrer Position innerhalb der Rassenhierarchie ab, welche die Nazi-Ideologen verfasst hatten. Am untersten Ende, und damit den schlechtesten Bedingungen und größten Schikanen ausgesetzt waren Slawen, Russen und Völker der Staaten der Sowjetunion. Niemand jedoch wurde so schlecht behandelt wie die Juden.

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Wie genau verbrachte Margit Batthyany-Thyssen die 12 Jahre der Nazi Tyrannei?

Die Gräfin übernahm die Rolle ihrer Mutter und Großmutter vor ihr als „Königin von Rechnitz“, während sie weiterhin weitläufig innerhalb des Reiches reiste. Nachdem sie die Pferdebegeisterung ihres Vaters geerbt hatte, beaufsichtigte sie die Thyssenschen Pferdezucht- und Rennsportaktivitäten in Bad Homburg bei Frankfurt, Hoppegarten/Berlin und Wien, besuchte Rennen in verschiedenen europäischen Städten und nahm Trophäen im Namen ihres Vaters entgegen, dem nicht mehr länger daran gelegen war, ausserhalb seines sicheren Tessiner Hafens gesehen zu werden.

1942 gewann ihr Erlenhof Hengst Ticino das Österreichische Derby in Wien-Friedenau und das Deutsche Derby in Hamburg. 1944 gelang dasselbe ihrem Erlenhof Hengst Nordlicht, doch das Deutsche Derby wurde wegen der Schäden in Hamburg durch alliierte Bombardierungen in Berlin abgehalten.

Bei diesen öffentlichen Veranstaltungen war Margit Batthyany im Kreise von Nazi Offiziellen zu sehen und wurde von diesen als ein Mitglied der höchsten Elite im Nazi Staat gefeiert. Es ist eindeutig, dass der Krieg für sie keine Veränderung in ihrem privilegierten Lebensstil mit sich brachte.

Jedes dieser Ereignisse war auch ein sehr öffentlicher Ausdruck der Unterstützung und Legitimierung des Nazi Regimes im Namen der Thyssens und der Batthyanys, doch jeglicher Bezug zu dieser Funktion fehlt in Derix’s Abhandlung.

Margit reiste auch regelmäßig während des Kriegs in die Schweiz, wo sie ihren Bruder Heini und ihren Vater Heinrich in Lugano, Zürich, Davos oder Flims traf. Es ist klar, dass auch sie Margit’s Lebensstil unterstützten. Dies bleibt bei Derix wiederum unerwähnt.

Während des Krieges in Rechnitz hatte Margit Batthyany anscheinend Liebesbeziehungen mit Hans Joachim Oldenburg (von der Familie Batthyany bestätigt) und Franz Podezin (durch einen Schlossangestellten angegeben und von Simone Derix erwähnt). Dies spiegelt die Informationen wider, die uns vor vielen Jahren durch Heini Thyssen’s ungarischen Rechtsanwalt, Josi Groh, gegeben wurden. Angestellte der Thyssens waren in einer idealen Position, solche Dinge zu beobachten, da sie Aufenthaltsräume säubern, Frühstück im Bett servieren und Gegenstände des täglichen Lebens der privaten Natur beschaffen mussten.

Seltsamerweise hat Simone Derix trotzdem das Bedürfnis, solche Details als „Spekulationen“ zu brandmarken, wodurch sie nahe legt, dass sie künstlich erhoben werden, um ein ungerechtfertigt schlechtes Licht auf ein Mitglied der Thyssen Familie zu lenken.

Der einzige Grund, warum wir Margit Batthyany’s spezifische Sexualneigung beleuchtet haben war, weil sie die intime Beziehung der Thyssens mit dem Nazi Regime so kraftvoll symbolisiert. Diese wird im Rahmen der Aufarbeitung der Rechnitzer Kriegsverbrechen nach dem Krieg an besonderer Bedeutung gewinnen.

Akademiker wie Simone Derix und Walter Manoschek, sowie Mitglieder der Refugius Gedenkinitiative sind nicht müde geworden zu beschwören, wir hätten die Geschichtsschreibung dieses Kapitels aus dem Kontext gerissen und in eine billige ‘Sex & Crime’ Saga verwandelt. Das Einzige, was durch diese fehlgeleiteten Beschuldigungen erreicht wird, ist das die Thyssens und Batthyanys einmal mehr davor abgeschirmt werden, ihre Verantwortung zu übernehmen, der sie sich, mit Ausnahme von Sacha Batthyany, bisher so energisch entzogen haben.

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Mit dem Jahr 1944 wurde der Nazi-Traum zum Alptraum. Im März besetzte Deutschland Ungarn und installierte ein Sondereinsatzkommando unter Adolf Eichmann, der die Deportation von 825.000 Juden organisierte. Bis Juli wurden 320.000 davon in den Gaskammern von Auschwitz ermordet und ca. 60.000 machte man zu Zwangsarbeiter in Österreich. Im Oktober, als die ungarischen Faschisten die Regierungsgeschäfte von dem authoritären Miklos Horthy übernahmen, wurden 200.000 Budapester Juden zur Zielscheibe.

Laut Eva Schwarzmayer wurden ca. 35.000 ungarische Juden für Holz- und Schanzarbeiten am Südostwall-Bau eingesetzt. Von diesen arbeiteten insgesamt bis zu 6.000 im Abschnitt Rechnitz und waren in vier verschiedenen Lagern untergebracht: In den Kellern und Lagerräumen des Schlosses, im sogenannten Schweizermeierhof in der Nähe des Kreuzstadls, in einem Barackenlager namens „Wald“ oder „Süd“ und in der früheren Synagoge. Währenddessen wurde der Volkssturm konstituiert, dem Hans Joachim Oldenburg beitrat.

Nichts von alledem wird von Simone Derix erwähnt.

Mit Beginn des Jahres 1945, als die westlichen und sowjetischen Armeen auf Hitler’s Deutschland eindrangen, geschahen zunehmend die sogenannten „Endphase-Verbrechen“ als Teil der Nazi Politik der ‘verbrannten Erde’. Dies bedeutet, dass Belastungsmaterial, inklusive Lagerinsassen, vernichtet und gleichermaßen diejenigen heimischen Bürger ausgeschaltet werden sollten, die ihre Ansicht zum Ausdruck brachten, der Krieg sei für die Deutschen verloren.

Diese Einstellung währte bis in die Nachkriegszeit hinein, sodass Zeugen, die bereit waren, gegen nationalsozialistische Kriegsverbrecher auszusagen, durch politische Fememorde zum Schweigen gebracht wurde. Dies geschah in Rechnitz mehrmals.

Nun begannen die sogenannten „Todesmärsche“, in denen Nazi Opfer aus ihren Gefängnissen evakuiert und vor den alliierten Fronten hergetrieben wurden, wobei viele unterwegs starben oder von Mitgliedern der SA, SS, des Volkssturms, der Hitlerjugend, der örtlichen Polizei etc., die sie bewachten, in aller Öffentlichkeit, oft in Sichtweite der örtlichen Bevölkerung, ermordet wurden.

Insgesamt scheinen mindestens 800 Juden in dieser Endphase des Kriegs in Rechnitz getötet worden zu sein. Das sogenannte „Massaker von Rechnitz“ an ca. 180 Juden in der Nacht vom 24./25. März 1945 ist in Wirklichkeit nur eines von mehreren mörderischen Aktionen. Simone Derix erwähnt kurz „bereits vor dem 24. März 1945 sind Erschießungen (in Rechnitz) bekannt“. Aber sie macht keinerlei Angaben zu diesen anderen Rechnitzer Massakern.

Annemarie Vitzthum aus Rechnitz gab während der Verfahren 1946/8 vor dem Volksgericht zu Protokoll, dass im Februar 1945 acht hundert Juden zu Fuß in Rechnitz angekommen seien und dass Franz Podezin sie „willkommen geheissen“ habe, in dem er hoch zu Pferde auf den erschöpften Menschen herumgetrampelt sei.

Laut österreichischen Ermittlern wurden Anfang März 220 ungarische Juden in Rechnitz erschossen.

Franz Cserer aus Rechnitz gab an, dass ca. Mitte März acht kranke Juden von Schachendorf nach Rechnitz gebracht worden seien und dass Franz Podezin sie beim jüdischen Friedhof erschossen habe.

Josef Mandel aus Rechnitz machte eine Aussage, dass am 17. oder 19. März ein Transport von 800 Juden aus Bozsok (Poschendorf) in Rechnitz angekommen sei. Der Überlebende Paul Szomogyi gab an, dass am 26. März 400 Juden aus seiner Zwangsarbeitergruppe in Rechnitz ermordet worden seien.

Simone Derix erwähnt mit keinem Wort die erhebliche Größenordnung dieser zusätzlichen Verbrechen.

Eleonore Lappin-Eppel schreibt: „Paul Szomogyi war am 22. oder 23. März zusammen mit 3-5.000 Leidensgenossen von Köszeg in den Abschnitt Rechnitz verlegt worden“. Otto Ickowitz berichtete, dass kranke Gefangene aus einer Gruppe, die vom Lager in Bucsu kamen in einem Wald bei Rechnitz ermordet wurden.

Unglaublicherweise behandelt Simone Derix diesen beschleunigenden Horror indem sie die folgende, technokratische Sprache verwendet: „In den letzten Kriegsmonaten trafen in Rechnitz ganz unterschiedliche Typen von Lagergesellschaften und die jeweils damit verbundenen Erfahrungen aufeinander und verquickten sich mit lokalen Herrschaftsstrukturen“.

Dies klingt fast wie eine Zeile aus der Hand von Adolf Eichmann persönlich.

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Die Personen, die in der Nacht vom 24./25. März in das Massaker und/oder das Fest involviert waren umfassten unter anderem: den Kreisleiter von Oberwart, Eduard Nicka und weitere Funktionäre des gleichen Hauptquartiers der NSDAP, verschiedene Steyrische SA-Männer, Franz Podezin, seine Sekretärin Hildegard Stadler, Hans-Joachim Oldenburg, das SS-Mitglied Ludwig Groll, den Leiter des Unterabschnitts II des Abschnitts VI des Südostwall-Baus Josef Muralter, Stefan Beigelböck, Johann Paal (Transport), Franz Ostermann (Transport) und Hermann Schwarz (Transport).

Derix kommentiert: „Die mutmaßlichen Täter/innen rekrutierten sich aus dem Kreis dieser Festgesellschaft, zu der auch die Schlossherren Margit und Ivan Batthyany zählten“.

Später half Margit Batthyany den zwei Hauptverdächtigen, Podezin und Oldenburg, zu fliehen und sich einer Strafverfolgung zu entziehen. Wenn sie nichts mit dem Rechnitz Massaker zu tun gehabt und die Vorkommnisse verwerflich gefunden hätte, erscheint es logisch, davon auszugehen, dass sie geholfen hätte, die Verantwortlichen ihrer gerechten Strafe zuzuführen, statt Ihnen dabei zu helfen, dieser auszuweichen.

Simone Derix erscheint fixiert darauf, die Thyssens frei zu sprechen und geht dabei sogar soweit, in Erwägung zu ziehen, dass Margit eventuell Opfern geholfen haben könnte – gibt dabei aber keinerlei Hinweise, wie sie zu dieser Einschätzung kommt.

Während der Nachkriegsverfahren wurde Josef Muralter als Organisator des Gefolgschaftsfests dargestellt. Verschiedene Akademiker haben auf diese angebliche Tatsache viel Wert gelegt, um zu zeigen, dass Margit Batthyany nicht die Gastgeberin des Abends gewesen sei, wie wir angegeben haben.

Aber solange keine Dokumente vorliegen, die beweisen, dass eine nationalsozialistische Organisation für das Fest bezahlt hat (und Derix legt solche Dokumente nicht vor) bleibt es Tatsache, dass Margit Batthyany die übergeordnete Gastgeberin war, denn es war ihre Familie, die für das Schloss und alles, was darin geschah bezahlte. Hierfür gibt es dokumentarische Beweise (siehe hier).

Simone Derix gesteht die zentrale Rolle der Personengruppe, die im Schloss Batthyany-Thyssen ansässig waren, bei den schrecklichen Missandlungen ein, die während des Zweiten Weltkriegs in Rechnitz stattfanden. Sie räumt sogar ein, dass manche Menschen der Ansicht sein könnten, es gebe hier Raum, Fragen der moralischen und juristischen Verantwortung an die Besitzer zu richten. Aber sie klagt die Thyssens und die Batthyanys nie ob dieser Verantwortung oder Schuld an, und impliziert statt dessen, dass sie wahrscheinlich „nichts gesehen“ haben.

Es ist die gleiche Art der Verteidigung, die auch Albert Speer anwendete, als er Hugh Trevor-Roper anlog, dass er über das Programm der Endlösung nicht unterrichtet gewesen sei, weil es „so schwierig war, dieses Geheimnis zu kennen, selbst wenn man Mitglied der Regierung war“. Diese Taktik zielt darauf ab, mächtige Individuen abzuschirmen und die Gesamtschuld der Allgemeinheit zu zu schieben.

Wie in bisherigen Bänden der Serie so sind es auch hier wieder die Thyssen Manager, die beschuldigt werden, und in diesem Falle insbesondere Hans-Joachim Oldenburg. Derix behauptet, er habe „seine Machtbefugnisse – auch gegenüber den Arbeitgebern – erweitern (können)“, er sei „aktiv an der Herstellung einer nationalsozialistischen ‘Volksgemeinschaft’ beteiligt (gewesen) und habe „rassistisch und antisemitisch“ agiert. Derix erwähnt jedoch nicht einen einzigen Beweis für ihre Beschuldigungen.

Falls Margit Batthyany ein Problem mit diesen Verhaltensweisen gehabt hätte, wäre es für sie einfach gewesen, sich für die Dauer des Krieges in irgend ein europäisches Hotel einzumieten. Sie tat dies aber nicht. Man muss also annehmen, dass sie mit den rassistischen und politischen Drangsalierungen der damaligen Zeit einverstanden war. Derix aber zieht diese logische Schlussfolgerung nicht.

Margit wählte die Teilnahme am Rechnitzer Terrorregime. Derix bevorzugt es, den weniger negativ klingenden Begriff der „Volksgemeinschaft“ anzuwenden.

Erst als die russische Armee sich näherte ergriff Margit Batthyany, zusammen mit Hans-Joachim Oldenburg und einigen ihrer Angestellten, die Flucht in privaten Automobilen und ließ alle anderen im Stich. Ebenso tat es Podezin.

Emmerich Cserer aus Rechnitz sagte aus, dass am 28. und 29. März große Transporte von jeweils hunderten von Zwangsarbeitern Rechnitz verließen. Josef Muralter gab zu Protokoll, dass er am 29. März das Schloss mit 400 Gefangenen aus dem Schlosskeller verließ.

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Die Einwohner von Rechnitz mussten danach die Konfrontation mit der Roten Armee ertragen, das Niederbrennen ihres zentralen, 600-Jahre alten Schlosses als Teil der Nazi Politik der verbrannten Erde, die Nachkriegsermittlungen und die Stigmatisierung ihres Städtchens, die bis heute anhält. Diese Stigmatisierung ist jedoch nicht darauf zurück zu führen, wie Derix behauptet, dass der Fall durch Medienreportagen wie unserer „skandalisiert“ worden sei. Sie ist vielmehr Folge der Tatsache, dass die Verbrechen ob der Verschlagenheit der Flüchtenden nie richtig aufgeklärt und bestraft werden konnten.

Die Einwohner von Rechnitz haben ihre Pflicht getan, indem sie viele Zeugenaussagen tätigten, die es ermöglicht hätten, die Schuldigen zu verurteilen. Nichtsdestotrotz wurden sie später von Akademikern und manchen Medien beschuldigt, über die Vorfälle geschwiegen zu haben. Als wir als englisch-sprachige Außenseiter nach Rechnitz kamen sprachen Menschen zu uns unaufgefordert und frei über die Ereignisse. Allen voran der Historiker des Städtchens, Josef Hotwagner, der uns empfohlen worden war. Sie verbargen in keinster Weise, was dort geschehen war.

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Nach ihrer Flucht, so Simone Derix, installierte sich Margit Batthyany im April 1945 in einem Haus in Düns in Vorarlberg. Während des Sommers sei sie „reisen“ gegangen. Was Derix nicht erwähnt, ist dass Margit Batthyany, anscheinend ohne jegliche Probleme, im Juli 1945 zum ersten Mal nach dem Krieg in die Schweiz einreiste. Es ist nicht vorstellbar, dass die Schweizer Behörden zu diesem Zeitpunkt nicht darüber informiert waren, was wenige Monate davor im Burgenland geschehen war.

Laut Derix war Batthyany ab November für die Französische Militärregierung im österreichischen Feldkirch tätig, mit anderen Worten, sie schaffte es, sich in die alliierten Verwaltungsstrukturen einzubinden. Dies dürfte mit den top-level Verbindungen ihrer Familie zusammen gehangen haben und mit der Tatsache, dass sie Informationen über eine Region bieten konnte, die nunmehr unter sowjetischer Besatzung war. Derix aber gibt ihrerseits keinerlei Anhaltspunkte für den Grund dieser plötzlichen „Anstellung“.

Ein Jahr später, im Juli 1946, so schreibt Derix, habe Margit ihren Bruder Stephan Thyssen-Bornemisza in Hannover besucht. Dies war ein Mann, der ein förderndes Mitglied der SS gewesen war, und während des Krieges in verschiedene industrielle Aktivitäten involviert war, die den deutschen Kriegsanstrengungen unter Verwendung von Zwangsarbeitern zugute kamen, was er nach dem Krieg strikt leugnete. Derix erwähnt Stephan Thyssen’s pro-Nazi Aktivitäten an dieser Stelle jedoch nicht.

Laut Derix zog Margit Batthyany, finanziell von ihrem Vater abhängig wie sie war, im August 1946 in seine Villa Favorita in Lugano.

Unsere Forschungen ergaben, dass Margit im November 1946 an ihre Schwester Gaby Bentinck schrieb: „Damit es nicht auffällt, habe ich mit O.(ldenburg) besprochen, dass er vorerst zwei Jahre alleine nach Südamerika geht. Habe Visa für ihn in Aussicht, was sagst Du dazu?“ Diese Hinweise übergaben wir Sacha Batthyany und er verwendete sie in seinem Artikel (aber nicht in seinem Buch!). Simone Derix ignoriert sie und erwähnt lediglich, dass Margit im November 1946 „Pläne“ gehabt habe, „Europa zu verlassen“.

Die Tatsache dass Margit Batthyany zu diesem Zeitpunkt in Erwägung ziehen konnte, Vermögenswerte zwischen Ländern und sogar Kontinenten zu verschieben zeigt wiederum, wie privilegiert Ihre Lebensumstände im Vergleich zu denen der großen Mehrheit waren. Sicherlich hat sie auch auf Investitionen zurück greifen können, die die Familie bereits vor dem Krieg in Südamerika getätigt hatte.

Während dessen wurden im Burgenland 1946 achtzehn Menschen beschuldigt, in Rechnitz Kriegsverbrechen begangen zu haben, von denen sieben in einem Volksgerichtshof angeklagt wurden, inklusive, in Abwesenheit, Franz Podezin und Hans-Joachim Oldenburg. Aber nur zwei wurden verurteilt, und diese Urteile in den frühen 1950er Jahren durch österreichische Amnestiegesetze aufgehoben. Die Verfahren erstreckten sich über zwei Jahre und wurden sogar erst 20 Jahre später im Jahr 1965 in Deutschland endgültig abgeschlossen.

Am 7. Januar 1947 wurde Margit Batthyany das erste und einzige Mal in der Sache befragt, und zwar durch die Schweizerische Kantonalpolizei in Buchs (Schweizer Staatsschutz-Fiche, Akteneintrag C.2.16505). Sie musste nie als Zeugin vor dem österreichischen Gericht erscheinen, eine Tatsache, die auf einer Informationstafel des 2012 eröffneten Rechnitzer Kreuzstadl Museums angeprangert wird (in den kleineren englischen und ungarischen Versionen, nicht aber in der deutschen Hauptversion).

Wurde Margit Batthyany-Thyssen je aufgefordert, vor Gericht zu erscheinen? Falls nicht, weshalb nicht? Spielte die Neutralität ihres Gastlandes eine Rolle hierbei? Oder leitete sich der Schutz, den sie offensichtlich genoss direkt von ihrer überaus bevorteilten gesellschaftlichen Stellung ab?

Simone Derix behauptet, die Gräfin habe während ihrer Befragung „versucht“, Oldenburg ein Alibi zu verschaffen. In Wahrheit hat sie ihm ein Alibi verschafft, indem sie sagte, er habe sich die ganze Nacht auf dem Schloss aufgehalten. Sacha Batthyany’s Schlussfolgerung ist eindeutiger: „Sie schützt ihn, ihren Geliebten, denn Oldenburg ist von Zeugen beim Massaker gesehen worden“.

Im Sommer 1948, so unsere Forschungen, schrieb Margit ihrer Schwester Gaby Bentinck: „O.(ldenburg) hat ein fabelhaftes Angebot nach Argentinien zur größten Molkereiwirtschaft. Im August ist er dort“. Auch dieser Beweis wurde von uns an Sacha Batthyany weiter gegeben, der ihn veröffentlichte, aber von Simone Derix wird er nicht erwähnt. Sie versäumte es auch, gewisse Familienarchive in London zu konsultieren.

Am 13. August 1948 hielt das Gericht fest, dass laut einer mündlichen Information der Polizeidienststelle Oberwart, sowohl Franz Podezin als auch Hans-Joachim Oldenburg in der Schweiz anwesend waren und planten, mit Margit Batthyany nach Südamerika auszuwandern, und damit ihrem Mann zu folgen, der bereits dort war. Am 30. August 1948 informierte Interpol Wien die Behörden in Lugano per Telegramm:

„Es besteht die Gefahr, dass sich die beiden nach Südamerika begeben. Bitte um Festnahme“. Die Verhaftungsbefehle gegen die Flüchtigen wurden im Schweizer Polizeianzeiger vom 30.08.48, Seite 1643, Art. 16965 ausgeschrieben. All dies ist von Sacha Batthyany recherchiert und veröffentlicht worden. Simone Derix erwähnt es nicht.

Eleonore Lappin-Eppel fasst die Gerichtsverfahren 1946/8 folgendermaßen zusammen: „Wegen der Flucht der beiden verdächtigten Rädelsführer Podezin und Oldenburg hatte das Gericht erhebliche Probleme bei der Wahrheitsfindung.“

Sacha Batthyany kommentiert: „Sie (Margit) hat ihm zur Flucht verholfen, dem mutmaßlichen Massenmörder (Oldenburg)“.

Aber die Linie, die Simone Derix verfolgt ist wiederum die, Margit Batthyany-Thyssen zu beschützen, indem sie schreibt: „Unklar blieb auch, welche Rolle Margit Batthyany dabei zukam, als es zwei Hauptverdächtigen (Oldenburg und Podezin), gelang, sich der Befragung durch die österreichischen Behörden zu entziehen und so letzlich einer möglichen Bestrafung zu entgehen“.

Simone Derix behauptet auch, Franz Podezin sei in der Sache befragt worden. Dies ist unwahr. Podezin ist nie über seine angebliche Verstrickung in das Rechnitz Massaker befragt worden.

Derix praktiziert also nicht nur eine gravierende Entlastung zugunsten der Thyssen Familie, ihre Publikation bleibt auch hinter der gegenwärtigen Forschungslage zurück und ist in einem fundamentalen Punkt unwahr.

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Margit Batthyany-Thyssen und ihr Mann Ivan Batthyany lebten von 1948 bis 1954 auf einem Gut, das sie in Uruguay gekauft hatten. Was aus Podezin’s und Oldenburg’s Reiseplänen wurde ist weniger klar.

Simone Derix erklärt, dass Hans Joachim Oldenburg ab 1950 auf dem Gut Obringhoven arbeitete, welches Thyssengas gehörte, ein Fakt, der noch nie zuvor erwähnt worden ist. Dies ist ein seltener, kostbarer Beitrag von Derix zum Fall Rechnitz.

Dies zeigt auch, dass die Thyssens kein Problem damit hatten, diesen Gutsverwalter, der vor einem österreichischen Gericht angeklagt worden war, an Kriegsverbrechen teilgenommen zu haben, wieder zu beschäftigen. Die Thyssens gaben damit Hans-Joachim Oldenburg nicht nur eine Arbeitsstelle, sondern, so scheint es, auch Schutz vor weiteren Ermittlungen gegen ihn.

Doch Derix versäumt es, diesen Hintergrund kritisch zu beleuchten

Soweit es Podezin angeht, so schreibt Stefan Klemp vom Simon Wiesenthal Zentrum, er sei als Agent für die Westmächte in Ost-Deutschland untergetaucht. Podezin wurde anscheinend in der sowjetischen Besatzungszone wegen seiner Aktivitäten für die alliierten Geheimdienste verhaftet und zu 25 Jahren Gefängnis verurteilt, allerdings nach 11 Jahren frei gelassen. Er siedelte dann nach West-Deutschland über, wo er sich als Versicherungskaufmann in Kiel niederließ.

1958 wurde die Zentrale Stelle der Landesjustizverwaltungen zur Aufklärung nationalsozialistischer Verbrechen in Ludwigsburg gegründet. Diese eröffnete 1963 ein Mordermittlungsverfahren gegen Franz Podezin und Hans-Joachim Oldenburg. Ein Brief vom 18.02.1963 macht klar, dass der Staatsanwalt wusste, dass Podezin so stark belastet war, dass seine Verhaftung von Nöten war. Und dennoch verzögerte er das Verfahren. Oldenburg wurde seinerseits am 26.03.1963 von der Zentralstelle in Dortmund befragt.

Als die Polizei schließlich versuchte, am 10. Mai Podezin zu verhaften, war dieser nach Dänemark geflohen. Kurt Griese, ein früherer SS-Hauptscharführer und nunmehr Regierungskriminalermittler, blockierte nun das Verfahren weiter, so Klemp, sodass es Podezin möglich war, in die Schweiz auszureisen. Von dort erpresste er Margit Batthyany, ihm bei der Flucht nach Südafrika behilflich zu sein. Dort arbeitete er für Hytec, eine Firma mit Geschäftsverbindungen zur Thyssen AG, wie Stefan Klemp ermittelte.

Sacha Batthyany schreibt: „Ob Tante Margit (Podezin) in den Sechzigerjahren zur Flucht verhalf und ihm auch noch einen Job vermittelte in Südafrika?“. Aber das Thema wird von Simone Derix außen vor gelassen.

Wie die Frankfurter Allgemeine Zeitung zusätzlich zu unserem Artikel 2007 berichtete, wurde gegen Margit Batthyany nie Anklage erhoben, obwohl einer der deutschen Ermittler 1963 dem österreichischen Justizministerium anzeigte, dass sie verdächtigt wurde, den beiden Rechnitz Mördern zur Flucht verholfen zu haben. Warum wurde gegen sie nie Anklage erhoben? Derix erwähnt diesen Punkt nicht und liefert daher keine Erklärungen.

Laut Eva Holpfer wurde das Verfahren gegen Hans Joachim Oldenburg auf Anweisung des Staatsanwalts am 21.09.1965 wegen Mangels an Beweisen eingestellt.

Mit den 1960er Jahren war Margit Batthyany zurück an der Rennbahn und nahm z.B. beim österrechischen Derby in Wien die Trophäe für Settebello entgegen, den sie gezüchtet hatte. Sie kehrte auch regelmäßig nach Rechnitz zurück (wo sie 1989 starb), v.a. zur Jagdsaison, und machte sich durch die Übergabe von Land und anderen Geschenken an Ortsansässige beliebt, wie uns von Rechnitzer Bürgern berichtet und von Sacha Batthyany bestätigt wurde.

1970 wurde Margit Batthyany-Thyssen die Schweizer Staatsbürgerschaft zuerkannt, um die sie sich seit Ende des Krieges bemüht hatte. Im selben Jahr begann Horst Littmann vom Volksbund Deutscher Kriegsgräberfürsorge in Rechnitz zu graben, musste allerdings aufhören, da die Genehmigung seitens des österreichischen Innenministeriums ausblieb.

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In den 1980er Jahren initiierte der Antifaschist Hans Anthofer den ersten Rechnitzer Gedenkort für die jüdischen Opfer. Doch in den frühen 1990er Jahren wurde der jüdische Friedhof in Rechnitz immer noch vandalisiert und laut Eva Schwarzmayer gab es selbst bei der Gedenkveranstaltung 2005 noch Personen des öffentlichen Lebens, die sagten, es sei nicht sicher ob das Massaker am Kreuzstadl wirklich stattgefunden habe.

2012 dann wurde der Gedenkort zu einem Museum ausgebaut und vom österreichischen Präsident Heinz Fischer eröffnet. Dieser teilte den Anwesenden mit, dass „weiterhin alles unternommen werden wird, um die Leichen der Opfer zu finden“.

Die Refugius Gedenkinitiative hat davon gesprochen, dass sich die Einstellung in Rechnitz verändert habe. Gleichzeitig prangert sie auf einer der Informationstafeln des Museums an, dass „die aktive Erinnerungs- und Gedenkarbeit noch immer keinen gesellschaftlichen Konsens (findet)“.

Was auffällt ist, dass, im Widerspruch zu ihren zum Ausdruck gebrachten Absichten zur Aufarbeitung der Geschichte und Ehrung der Opfer (siehe Fußnote), offensichtlich keiner der Thyssens bisher jemals an einer der Gedenkveranstaltungen in Rechnitz teilgenommen hat.

Das Amt der Burgenländischen Landesregierung hat uns mitgeteilt, dass „Die Familien Thyssen bzw. Batthyany….im Burgenland (und Österreich-weit) im Bereich Erinnerungskultur und Aufarbeitung der Vergangenheit überhaupt keine Rolle (spielen)“.

Warum tun sie dies nicht?

Sacha Batthyany hat berichtet, dass er von Familienmitgliedern Drohungen erhalten hat, als er versuchte, die Geschichte der Familie während der Nazi Ära zu durchleuchten.

Was die Einwohner von Rechnitz angeht, so sind sie verständlicherweise gespalten zum Thema. Es wäre seltsam wenn es anders wäre.

Aber bei den Thyssens existiert eine solche Fragmentierung nicht. Sie scheinen einheitlich ungerührt und unengagiert zu sein. Dies dürfte jetzt noch dadurch verstärkt werden, dass sie wohl annehmen, die Akademiker, die sie beauftragt haben, hätten Schlüsse gezogen, die sie schuldfrei erscheinen lassen.

Aber in Wahrheit sind sie nicht schuldfrei und es ist jetzt an der Zeit für die Thyssens, klare Aussagen zu machen, auf welcher Seite der Grenze zwischen Faschismus und Anti-Faschismus sie stehen.

Nur wenn die Thyssens (und die Batthyanys als ihre örtlichen Repräsentanten) ihre Leitbildfunktion wahrnehmen, kann die Erinnerungskultur um das Rechnitz Massaker darauf hoffen, in der breiten Öffentlichkeit einvernehmlicher zu werden.

Indem sie die nächste Gedenkveranstaltung Ende März 2018 in Rechnitz besuchen – und dies auch in den Medien berichtet wird – können Mitglieder der Thyssen Dynastie in dieser Hinsicht eine wirklich öffentliche Aussage tätigen und ihrer geschichtlichen Verantwortung transparent und effektiv nachkommen.

Nach all den Ausflüchten der Vergangenheit hält es die informierte Öffentlichkeit jetzt für dringend angebracht, dass diese Familien endlich ihren Beitrag zur Heilung des Falles Rechnitz leisten und WIRKLICHE Solidarität zeigen bei der Ehrung der Toten und Versehrten dieser katastrophalen Ereignisse.

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Fußnote: Die folgenden Statements wurden bisher abgegeben:

1) Francesca Habsburg, nee Thyssen-Bornemisza, in der Sendung „Titel, Thesen, Temperamente“ (Oktober 2007): „Ich unterstütze es, wenn die Familie selbst die damaligen Geschehnisse aufarbeitet. Die Ergebnisse dieser Recherchen sollen transparent und öffentlich zugänglich sein“.

2) Offizielle Webseite der Familie Batthyany: „Seit unserem Erfahren der Geschehnisse in den letzten Jahren sind wir zutiefst bestürzt und ergriffen……Viele Fragen stellen sich uns. Auf sie wissen wir keine Antworten…….Wir hoffen, dass das Gedenken an diese Opfer immer mehr gepflegt wird und das Grab der Ermordeten von Rechnitz, das bis heute unentdeckt geblieben ist, eines Tages gefunden wird“.

Margit Batthyany-Thyssen, Tochter von Heinrich Thyssen-Bornemisza, nimmt Preise für Gewinner aus den Rennställen der Thyssens aus der Hand von nationalsozialistischen Funktionsträgern beim Großen Preis von Wien 1942 in Empfang und legitimiert so das Nazi Regime im Namen sowohl der Thyssens als auch der Batthyanys (photo Menzendorf, Berlin; copyright Archiv von David R L Litchfield).                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                   

Auszug aus den Mitschriften der Vorstandssitzungen der Thyssen-Bornemisza Gruppe (1939-1944) in Lugano, Flims, Davos bzw. Zürich unter Mitwirkung von Heinrich Thyssen-Bornemisza, Hans Heinrich Thyssen-Bornemisza, Wilhelm Roelen (Generalbevollmächtigter) und Heinrich Lübke (Direktor der August Thyssen Bank Berlin).  Diese Seite zeigt, dass während des Zweiten Weltkriegs die Heinrich Thyssen-Bornemisza, dem Vater von Margit Batthyany-Thyssen, gehörende Firma Thyssensche Gas- und Wasserwerke (Thyssengas) im Umland des Sitzes des Thyssen-Bornemisza Schlosses Rechnitz / Burgenland (Österreich) Bergbauinteressen ausschöpfte (photo copyright Archiv David R L Litchfield)                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                   

 

 

Insgesamt scheinen mindestens 800 Juden in der Endphase des Zweiten Weltkriegs in Rechnitz (Österreich), dem Sitz des Thyssen-Bornemisza Schlosses und Wohnsitz von Margit Batthyany-Thyssen, umgebracht worden zu sein. Das sogenannte “Rechnitz Massaker” in der Nacht vom 24./25. März 1945 ist in Wirklichkeit nur eines von mehreren solcher mörderischen Geschehnisse an diesem Ort zu jener Zeit.                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                     

 

 

 

“Die Thyssens. Familie und Vermögen” ist Band 4 der Serie “Familie – Unternehmen – Öffentlichkeit. Thyssen im 20. Jahrhundert”, gefördert von der  Fritz Thyssen Stiftung Köln und veröffentlicht im Ferdinand Schöningh Verlag, Paderborn. Sieben Seiten des 500-Seiten starken Buches befassen sich mit dem Leben der Batthyany-Thyssens in Rechnitz während des Zweiten Weltkriegs und im Besonderen mit ihrer Verstrickung in das sogenannte “Rechnitz Massaker” (photo copyright Ferdinand Schöningh Verlag, Paderborn).                          Dieses Buch ist eine Kurzfassung der Habilitationsschrift von Simone Derix und wird als solche von deutschen Akademikern als Fakt aufgenommen werden, eine Qualifizierung, gegen die wir eindringlich Einwand erheben.                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                         

 

 

Simone Derix, Autorin des Buches “Die Thyssens. Familie und Vermögen”, eine von zehn Akademikern, die von der Fritz Thyssen Stiftung gefördert wurden, um die Geschichte der Thyssens umzuschreiben. Sie fährt fort mit einer Behandlung der Thematik, die kontroverse Punkte weiss zu waschen bzw. abzumildern scheint (photo copyright Historisches Kolleg, Munich). Das “Historische Kolleg”, wo Simone Derix ihr Buch präsentiert hat, wird übrigens selbst teilweise gefördert von ….. der Fritz Thyssen Stiftung (!)                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                 

Das Kreuzstadl Mahnmal in Rechnitz für die jüdischen Opfer des Zweiten Weltkriegs wurde 2012 erweitert und vom österreichischen Präsidenten eröffnet. Große Informationstafeln enthalten unter anderem die Information, dass Margit Batthyany nie vor Gericht Aussagen zum Rechnitz Massaker vom 24./25. März 1945 machen musste. Und dies obwohl deutsche Ermittler 1963 dem österreichischen Justizministerium mitteilten, dass sie unter Verdacht stand, den zwei Hauptbeschuldigten, Franz Podezin und Joachim Oldenburg, zur Flucht verholfen zu haben (photo copyright: übersmeer blog)                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                 

 

Das österreichische Staatsoberhaupt Heinz Fischer, der das Rechnitzer Kreuzstadl Museum 2012 eröffnet hat, versicherte den Anwesenden, dass die Republik Österreich weiterhin alles daran gibt, die Gräber der 1945 in Rechnitz ermordeten Juden zu finden. Doch verschiedene österreichische Stellen haben auch angemerkt, dass der Erinnerungsprozess immer noch keinen breiten Konsens findet und dass insbesondere die Familien Thyssen und Batthyany von einer positiven, pro-aktiven Beteiligung am Prozess der Aufarbeitung und Heilung Abstand zu nehmen scheinen (photo copyright Infotronik Austria)                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                              

Jedes Jahr Ende März findet am Rechnitzer Kreuzstadl Museum eine Gedenkveranstaltung statt, die vom Gedenkverein Refugius organisiert wird. Während diese Gedenkveranstaltung vom früheren Bürgermeister, Engelbert Kenyeri, besonders positiv gefördert wurde und immer mehr Rechnitzer Bürger daran teilnehmen, hat bisher kein einziges Mitglied, weder der Familie Thyssen noch der Familie Batthyany öffentlich daran teilgenommen. Dies obwohl sie nach Erscheinen unserer Publikationen und der Aufführung des sich daraus ableitenden Theaterstücks “Rechnitz. Der Würgeengel” von Elfriede Jelinek glühende Absichtserklärungen abgegeben hatten (photo copyright Infotronik Austria)

 

 

 

 

                

 

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Die Unerlässlichkeit der “Impertinenz” oder Eine Erläuterung an eine Berliner Buch-Bloggerin über Sacha Batthyany und die Thyssen-Bornemiszas (von Caroline D Schmitz)

Die Aggressivität der Reaktion vieler deutsch-sprachiger Kommentatoren auf unseren Artikel im Feuilleton der Frankfurter Allgemeinen Zeitung im Jahr 2007, „Die Gastgeberin der Hölle“ (im Britischen Independent unter dem Titel „The Killer Countess“ erschienen), hat mich immer zutiefst schockiert. Hier war die mächtige Thyssen-Dynastie, die stets ihre überragende Beteiligung am nationalsozialistischen Regime nicht nur verschwieg, sondern vielmehr durch die Verbreitung irreführender Berichte pro-aktiv leugnen ließ. Und da waren wir, ein englischer Autor und eine deutsche Investigatorin, die der Zufall 1995 in England zusammengebracht hatte, und die durch die Weitsicht weniger herausragender Persönlichkeiten, nämlich Steven Bentinck, Heini Thyssen, Naim Attallah, George Weidenfeld, Frank Schirrmacher und Ernst Gerlach, in die glückliche Lage versetzt wurden, den alles bestimmenden Narrativ des unternehmerisch-akademisch-medialen Establishments in Sachen Thyssen zu durchbrechen und die Wahrheit vor der endgültigen Verschüttung zu bewahren.

Wir waren von Anfang an „impertinent“ im ursprünglichen Sinne des Wortes, nämlich „nicht (zum Establishment) dazu gehörig“, und unsere Recherche fand stets an Original-Schauplätzen statt. Vom „Rechnitz-Massaker“ erfuhren wir nicht im Internet, sondern vor Ort von Ortsansässigen. Zum Zeitpunkt des Erscheinens unseres FAZ-Artikels wussten wir nichts von Eduard Erne, der bereits 1994 einen Dokumentarfilm über das Geschehen mit dem Titel “Totschweigen” gedreht hatte (und der zur Zeit beim Schweizer Fernsehen arbeitet) und auch nichts von Paul Gulda, der 1991 den Verein Refugius (Rechnitzer Flüchtlings- und Gedenkinitiative) ins Leben rief. Als wir beide dann 2008 beim Rechnitz-Symposium im Burgenländischen Landesmuseum in Eisenstadt trafen, verhielten auch sie sich uns gegenüber sehr ablehnend, was wir uns nur damit erklären konnten, dass sie vielleicht glaubten, von uns bewusst übergangen worden zu sein. Dies war nicht der Fall und es war vielmehr so, dass sie nunmehr durch unsere Arbeit einem viel breiteren Publikum bekannt waren als vordem. Warum also attackierten sie uns und nahmen die Thyssens und Batthyanys in Schutz, die ihre Arbeit bislang ganz offensichtlich abgelehnt oder ignoriert hatten?

Ein Jahrzehnt später nun erscheint mit „Und was hat das mit mir zu tun?“ eine umfangreiche Stellungnahme in Buchform seitens eines Mitglieds der Dynastie, die unter großem Aufwand beworben wird und international bis nach Israel und Nordamerika verbreitet werden soll. In Großbritannien soll das Buch (Übersetzerin: Anthea Bell) im März 2017 unter dem Titel “A Crime in the Family” (i.e. „Ein Verbrechen in der Familie“) bei Quercus erscheinen, ein Titel, der auffallend an den Untertitel „Schande und Skandale in der Familie“, der englischen Ausgabe unseres Thyssen-Buchs „The Thyssen Art Macabre“ erinnert, der auf einer Aussage Heini Thyssens uns gegenüber beruhte.

In seiner Pressearbeit gibt Sacha Batthyany serien-mäßig an, „durch Zufall“ auf die negativen Seiten seiner Familiengeschichte, und speziell auf das Rechnitz-Massaker, gestoßen zu sein. Alles sei „ein Geheimnis“ gewesen, bis er eines Tages angefangen habe, Dinge zu untersuchen, von denen er vordem überhaupt gar nichts gewusst habe, da er in der „wattierten“ Schweiz aufgewachsen sei, wo man z.B. vom Zweiten Weltkrieg quasi überhaupt nichts wisse… Dies von einem Journalisten, dessen Familie zum Teil durch die von der Schweiz aus gesteuerten Kriegsprofite der Thyssens finanziert wurde, der ein Mitglied einer der einflussreichsten europäischen (ursprünglich österreichisch-ungarischen) Dynastien ist, unter anderem in Madrid studiert hat, viele Jahre für große internationale Tageszeitungen gearbeitet hat (z.B. für die Neue Zürcher Zeitung), und der einen Großteil seiner Jugend nicht in Zurich, sondern in Salzburg verbracht hat, obwohl er diese Tatsache immer nur dann exklusiv preis gibt, wenn er gerade einmal dort oder in Wien spricht (bis ins Burgenländische, nach Rechnitz oder Eisenstadt, hat er es mit seiner Pressearbeit unseres Wissens nach noch nicht geschafft – der Rechnitzer Bürgermeister, Engelbert Kenyeri, ist im Übrigen vom Buch des Herrn Batthyany nicht gerade sehr angetan, wie es scheint).

Selbst die FAZ (Sandra Kegel), die sich bei ihrer ursprünglichen Berichterstattung gegen massive Anfeindungen unter anderem durch die Neue Zürcher Zeitung zur Wehr setzen musste, und ohne die eine deutschsprachige Version unseres Buches nicht zur Verfügung stünde, unterschlug nun unseren Anstoß und lobte, wie so viele andere, durch die Werbung des Kiepenheuer & Witsch Verlags Animierte, das Batthyanysche Werk als selbstlosen Akt eigenmotivierter Aufrichtigkeit. Dabei gäbe es sein Buch gar nicht, wäre die FAZ damals nicht so mutig gewesen, unsere „Impertinenz“ zu erlauben und das Risiko der ernsthaften Rufschädigung durch ihre Media-Kontrahenten einzugehen.

Ende Mai entschied sich die Berliner Buch-Bloggerin „Devona“ (www.buchimpressionen.de), nach 75 Roman-Rezensionen zum ersten Mal ein Sach-Hörbuch zu kommentieren, wobei ihre Wahl auf „Und was hat das mit mir zu tun?“ fiel. Dabei tätigte sie Äusserungen über die Rolle der Margit Batthyany geborene Thyssen-Bornemisza im Rechnitz-Massaker, die ihr in Anbetracht ihres rudimentären Wissensstands zum Thema nicht zustanden. Unter anderem beschrieb sie Margit’s Deckung zweier Haupttäter nach dem Krieg als bloße „Vermutung“. Daraufhin wiesen wir sie auf die Unrichtigkeit und grobe Fatalität ihrer Äusserung hin. Selbst die im Ausmaß völlig unzulängliche Kommentierung des Rechnitz-Massakers auf der offiziellen Webseite der Familie Batthyany räumt seit wenigen Jahren ein, dass diese Deckung geschah, wieso sollte also eine anonyme, aber eindeutig Familien-fremde Person etwas Anderes verbreiten?

Devona reagierte innerhalb kürzester Zeit höchst verärgert auf den Inhalt unserer kritischen Analyse. Danach revidierte sie ihre Reaktion. Jetzt störte sie nicht mehr so sehr der Inhalt unserer Kritik, als viel mehr unsere angeblich „impertinente“ Art. Und dann tat die Autorin von „Buchimpressionen“ etwas ganz Sonderbares, indem sie zunächst den deutschen Titel unseres Buches (“Die Thyssen-Dynastie. Die Wahrheit hinter dem Mythos”) von ihrer Platform eliminierte, mit dem wir unsere Stellungnahme abgeschlossen hatten, uns danach vorwarf, unsere Arbeit nicht in der deutschen Sprache zugänglich gemacht zu haben, und, als sie herausfand dass unser Buch doch seit 2008 in Deutschland veröffentlicht ist, sich schließlich weigerte, dies anzuerkennen, weil „bis zum heutigen Tag bei Wikipedia nicht auf eine deutsche Version verwiesen wird“.

Die Bloggerin schrieb nun, sie „werde nicht hinter jedem Kommentator bis ans Ende des Internets her recherchieren“. Dabei hatte sie es in Wirklichkeit nicht weiter als bis zur ersten Haltestelle geschafft. Unser Buch existiert auf deutsch, aber für Devona existierte es nicht auf deutsch, weil es nicht auf Wikipedia stand, dass es auf deutsch existiert. Dies war so bezeichnend für die Weigerung von Deutschsprachigen, sich mit dem sachlichen Inhalt unseres Buches auseinander zu setzen. War diese Informations-Verarbeitende nur zu faul oder wollte sie von der Richtigstellung gar nichts wissen? Devona’s Äusserungen waren in ihrer ungefilterten Emotionalität zutiefst aufschlussreich. Auch sprach sie plötzlich nur noch „Herrn Litchfield“ an, nicht mehr mich, als ob das Buch allein Produkt eines Engländers sei und nicht eine englisch-deutsche Koproduktion.

Wikipedia ist unserer Ansicht nach problematisch, unter anderem deshalb, weil die FAZ 2007 bei der Aufarbeitung unseres Artikels aus dem Englischen ins Deutsche, unter anderem nach Gesprächen mit dem überheblichen Leiter des ThyssenKrupp Konzern-Archivs, Professor Manfred Rasch, und nach Überprüfung relevanter Wikipedia-Seiten, einige Änderungen an unserem Text vornahm. Die wichtigste dieser Änderungen ist diese: Heinrich Thyssen-Bornemisza hat sich nicht 1932, also ein Jahr vor Hitler’s Machtergreifung endgültig in der Schweiz nieder gelassen sondern erst 1938, wie wir bei unseren Nachforschungen herausgefunden haben. Im Independent stand 1938. In der FAZ steht 1932. Menschen mit adequatem historischen Sachverstand wissen, was das bedeutet und die Rollen im Zweiten Weltkrieg, sowohl des Heinrich Thyssen-Bornemisza als auch der Schweiz, sind in unserem Buch ausführlich beschrieben. Unerfahrenen Menschen sei nur so viel gesagt: es ist ein Umtausch, der winzig erscheinen mag, der in seiner Bedeutung aber zugleich fundamental und monumental ist.

Devona empfand unsere Richtigstellung ihres Blogeintrags als „unverschämt“, obwohl sie nicht mehr war als strikt. Und sie weigerte sich emphatisch, sich gebührend mit der Sache auseinander zu setzen. Das „Unverschämte“ in dieser Angelegenheit, aber, liegt nicht bei uns. Das „Unverschämte“, das „nicht zur Menschlichkeit dazu gehörige“ liegt in den Verbrechen, die während des Zweiten Weltkriegs im Namen des deutschen Volkes geschahen. Die Impertinenz liegt in der Tatsache, dass die Thyssens (die in die Batthyany-Dynastie eingeheiratet und Teile dieser finanziert haben) dem anti-demokratischen, extremst menschenverachtenden Nazi-Regime Beihilfe geleistet haben, und dass sie Rahmenbedingungen geschaffen haben, in denen die monströsen Verbrechen vor allem gegen die Juden, aber auch die gegen andere Völker, inklusive denen gegen das deutsche Volk und seine Ehre, stattfinden konnten. Es ist unverschämt, dass sie 70 Jahre lang geschwiegen, ihre Rolle verleugnet und ihre Taten glorifiziert haben. Es ist impertinent, kurzum, dass sie die Allgemeinheit hinters Licht geführt haben und dies in großen Teilen auch weiterhin tun. Es war nur auf Grund dieser Verhaltensweise, dass diese Vermutung der Unschuld der Margit Batthyany-Thyssen durch diese Buch-Bloggerin zu diesem Zeitpunkt immer noch möglich war.

Die betreffenden Familien genießen eine komfortable Vormachtstellung in der Gesellschaft, im öffentlichen Diskurs und „Ansehen“, begründet auf ihrer Zugehörigkeit sowohl zur Welt des wirtschaftlichen Privilegs als auch zur Aristokratie, die allerdings sowohl in Deutschland als auch in Österreich längst obsolet ist und in einer Demokratie nur toleriert werden kann, wenn sie sich einwandfrei demokratisch verhält. Eine entscheidende Rolle spielt auch, dass thyssenkrupp heute noch einer der größten deutschen Arbeitgeber ist, und dass die deutsche Kohle- und Stahlindustrie, die unter anderen das Land nach dem Zweiten Weltkrieg vor dem totalen Kollaps rettete (wie Herbert Grönemeyer in „Bochum“ singt: „Dein Grubengold hat uns wieder hoch geholt“), nach 1945 fatalerweise von den Thyssens weiter beherrscht werden durfte.

Im erz-konservativen Österreich nehmen die Batthyanys (als deren Teil Sacha Batthyany sich eindeutig sieht und gesehen wirrd, da er sich auf ihrer Homepage in ihrer Mitte abbilden lässt und von ihnen abgebildet wird – hintere Reihe zweiter von rechts, im großen Gruppenfoto der Mitglieder der jüngeren Generation) weiterhin eine Sonderstellung ein, die sich aus ihrer langen feudalen Geschichte herleitet (der gegenwärtige Familienchef Fürst Ladislaus Pascal Batthyany-Strattmann, ist päpstlicher Ehrenkämmerer!…).

Im Angesicht dieser Vormachtstellung begnügt sich die Allgemeinheit „pertinent“ damit, in ihrer untergeordneten Rolle als Empfänger Thyssenscher und Batthyanyscher Misinformation zu verharren. Ein Mitglied der Dynastie, Sacha Batthyany, hat nunmehr ein Buch geschrieben, das vorgibt, eine ehrliche Auseinandersetzung mit der Vergangenheit zu sein. Aber nicht jeder scheint überzeugt zu sein, dass es das wirklich ist (siehe v.a. Thomas Hummitzsch in “Der Freitag”, aber auch Michael André auf Getidan, und sogar Luzia Braun, Blaues Sofa, Leipziger Buchmesse).

Die meisten Kommentatoren des Rechnitz-Massakers geben an, sich einig zu sein, dass die Gräber der Opfer gefunden werden müssen. Doch während Ortsansässige behauptet haben, zu wissen, wo sich die Gräber befinden und die ursprünglichen russischen Grabungen die Gräber genau lokalisiert hatten, scheint es so, dass nicht alle einflussreicheren Mitglieder der Gemeinschaft, sowohl in der Vergangenheit wie auch in der Gegenwart, gleichsam bereit sind, zu solch einer Transparenz bei zu tragen.

Während es wie eine Utopie anmutet, darauf zu hoffen, dass sich dies irgendwann ändert, so haben sich die Zeiten seit 2007, als unser Buch erstmals erschien, doch rapide gewandelt. thyssenkrupp ist ein kranker Koloss, dessen Name schon bald nach einer Übernahme von Teilen oder insgesamt in dieser Form vielleicht keinen Bestand mehr haben könnte. Und die deutsche Rechtsprechung in Sachen Strafverfolgung der Nazi-Verbrechen geht nicht mehr automatisch von der Unschuldsvermutung aus, wenn eine aktive Tötungsbeteiligung nicht nachgewiesen werden kann. Eine Präsenz und Rolle im übergreifenden Verbrechen genügt, wobei das Verwaltungsbüro fernab der Gaskammer nah genug ist, um den unerlässlichen Beitrag zur Funktionsfähigkeit des Tötungsapparats nachweisen zu können. Genauso verhält es sich im Fall Rechnitz mit dem, durch die SS requirierten aber weiterhin Thyssen-finanzierten Schloss, und der Rechnitzer Mordgrube der Nacht vom 24. auf den 25. März 1945.

Immer noch werden vor allem die kleinen Fische vors Gericht gezogen, Menschen wie John Demjanjuk, Oskar Gröning und Reinhold Hanning. Doch die Uhr der historischen Aufrichtigkeit tickt unablässig auch für die Großen, die immer noch nicht freiwillig ihre Vergangenheit vollumfänglich aufarbeiten. Diejenigen Thyssens und Batthyanys, die während des Zweiten Weltkriegs eine unrühmliche Rolle spielten, sind tot. Es ist die demokratische Pflicht ihrer Nachfahren, das Netz der Misinformation zu durchbrechen und nicht nur die positiven Seiten ihrer Geschichte hervor zu heben, sondern sich auch den negativen zu stellen. Nur durch ihr Geständnis können aus diesem Teil der Geschichte die letzten Lehren gezogen werden und eine langfristige Heilung und Versöhnung geschehen.

Genau das aber scheinen die Thyssen-Bornemiszas und Batthyanys nicht zu wollen, möglicherweise weil eine freie, aufgeklärte, demokratische Öffentlichkeit nur beherrscht werden kann, wenn man sie manipuliert, verunsichert und entzweit. Die Geschichte des Holocaust könnte längst aufgearbeitet worden sein, wenn diese Familien sich nicht ihrer Verantwortung entzogen hätten. Dem deutschen Volk bliebe die Weiterführung des Alptraums der tröpfchenweisen Aufarbeitung erspart, die so unendlich zermürbend und im Endeffekt kontraproduktiv ist, wenn diese Familien endlich reinen Wein einschenkten und unser Buch als korrekte, unabhängige, historische Aufzeichnung akzeptierten.

Die Namen Thyssen und Batthyany sind in den Urseelen der Deutschen und Österreicher unabdingbar mit dem Gefühl von Stolz und Ehre verbunden, aber diese Familien (die Thyssen-Bornemiszas über ihren Kopf Georg Thyssen, Kuratoriumsmitglied der Fritz Thyssen Stiftung und Unterstützer der Serie „Familie – Unternehmen – Öffentlichkeit. Thyssen im 20. Jahrhundert“, die bisher das Rechnitz-Massaker überhaupt nicht erwähnt, und die Batthyanys über ihren Kopf Graf Ladislaus Batthyany-Strattmann, Unterstützer der Bände „Die Familie Batthyany. Ein österreichisch-ungarisches Magnatengeschlecht vom Ende des Mittelalters bis zur Gegenwart“, der jegliche Beteiligung Margit Batthyany-Thyssens am Rechnitz Massaker glattweg bestreitet!), statt sich ehrenvoll zu verhalten, vermeiden eine unabhängige Untersuchung und kontrollieren ihre Zusammenarbeit in autorisierten Veröffentlichungen der Geschichtsschreibung.

Ihre Abschirmung führt dazu, dass selbst Deutsche und Österreicher, die anti-Nazi sind, oder es zumindest vorgeben, das ganze Ausmaß des Holocaust nicht erkennen können und deshalb die echte Bandbreite der Nazi-Verbrechen, wie z.B. im Fall des Rechnitz-Massakers, unfreiwillig decken, ein Vorgang, der letztendlich wie eine stillschweigende Billigung erscheinen kann.

Im Falle der Deutschen und Österreicher ist dies natürlich besonders verheerend. Aber diese Art von Ausweichmanöver muss auch gerade für Bürger angeblich „neutraler“ Länder wie der Schweiz, und insbesondere für Sacha Batthyany, absolut kontraindiziert sein. Auch ist die Anzahl der in seinem Buch und seiner Pressearbeit enthaltenen Äusserungen, die beleidigend sind, wie z.B.: „Mirta und Marga hatten den Holocaust, an den sie sich klammerten – was hatte ich?“, vollkommen inakzeptabel.

So lange Sacha Batthyany für die fragwürdige Aufrichtigkeit seiner Enthüllungen weiterhin Sympathie einfordert statt Schuld zu bekennen, so lange werden wir in dieser Sache beharrlich sein. Das ist keine „Impertinenz“, sondern unsere heilige Pflicht.

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Posted in The Thyssen Art Macabre, Thyssen Corporate, Thyssen Family Comments Off on Die Unerlässlichkeit der “Impertinenz” oder Eine Erläuterung an eine Berliner Buch-Bloggerin über Sacha Batthyany und die Thyssen-Bornemiszas (von Caroline D Schmitz)

Gibt es wirklich eine neue Thyssen Bescheidenheit am Horizont?

Es ist fast ein Jahrzehnt her, seitdem unser kontroverses Buch mit 500 Seiten über Thyssen erschien („Die Thyssen-Dynastie. Die Wahrheit hinter dem Mythos“), welches eine umfangreiche offizielle Antwort in Gang setzte, deren Logik manchmal schwer zu verstehen ist; es sei denn als Beteuerung der akademischen Glaubwürdigkeit der Fritz Thyssen Stiftung oder zur Beschwichtigung der Schuld der Thyssen Familie.

For zwei Jahren begann die Fritz Thyssen Stiftung, mit Zustimmung ihres Kuratorium-Mitglieds Georg Thyssen-Bornemisza und der Unterstützung des ThyssenKrupp AG Konzern Archivs, endlich mit der Freigabe einer Serie von zehn Büchern (mit insgesamt mindestens 5,000 Seiten!) unter dem Titel „Familie – Unternehmen – Öffentlichkeit. Thyssen im 20. Jahrhundert“. Bisher sind drei Bücher erschienen (zwei davon waren Doktorarbeiten) und von uns rezensiert worden: Donges über die Vereinigten Stahlwerke, Urban über Zwangsarbeit und Gramlich über Kunst.

Dann wurde im November 2015, ausserhalb der chronologischen Abfolge, Band 5, „Thyssen in der Adenauerzeit. Konzernbildung und Familienkapitalismus“ herausgegeben. Der Status des Autors, Professor Johannes Bähr, sein bisheriges Werk und seine angebliche Verpflichtung zur Transparenz in der zeitgeschichtlichen Auftragsforschung hatten Hoffnungen auf eine wirklich kritische Analyse der Art und Weise aufkommen lassen, wie diese Familie, die eine der größten Kriegsgewinnler und Unterstützer Hitlers war, nach dem Zweiten Weltkrieg in Deutschland ihre Macht zurück gewinnen konnte.

Leider spiegelt die fast Disney-artige und doch hochmütige Oberflächlichkeit des Buches wieder einmal die Stempelmarke eines vom Unternehmen authorisierten Werks allzu offensichtlich wider. Wir werden daher unsere Rezension bis zum Ende der Serie verschieben, nicht zuletzt da ca. 2017 (?) ein weiterer Band erscheinen soll, der sich mit der „Konfiszierung“ von Fritz Thyssens Vermögen während und dessen Rückerstattung nach dem Zweiten Weltkrieg auseinander setzt. Ohne diesen lässt sich Band 5 nicht wirklich rezensieren, angenommen es interessiert sich bis dahin überhaupt noch irgend jemand dafür.

Die weiteren Bände der Serie, die noch ausstehen sind auf der einen Seite Simone Derix, „Die Thyssens. Familie und Vermögen“ und Felix de Taillez, „Fritz und Heinrich Thyssen. Zwei Bürgerleben für die Öffentlichkeit“ (beide angekündigt für Juni 2016), wobei letzteres allein schon im Titel eine unglaubliche Kehrtwende signalisiert für eine Organisation, die es bisher ausließ, eine seriöse Darstellung von Heinrich Thyssen-Bornemisza zuzulassen, der dunkelsten Persönlichkeit in der Familie, der die engsten Verbindungen – nicht zuletzt durch Bankenaktivitäten – mit dem verbrecherischen Nazi-Regime hatte.

Und schlussendlich handelt es sich noch um vier Werke, deren Erscheinungsdatum bisher unklar ist, nämlich: Jan Schleusener über die „Konfiszierung“ und Rückerstattung von Fritz Thyssens Vermögen; Harald Wixforth über die Thyssen Bornemisza Gruppe 1919-1932; Boris Gehlen über die Thyssen Bornemisza Gruppe 1932-1947; und Hans Günter Hockerts über die Geschichte der Fritz Thyssen Stiftung.

Fast parallel dazu hat sich ThyssenKrupp (oder thyssenkrupp, wie es sich jetzt mit seinem neuen, filigranen Logo nennt) unter Heinrich Hiesinger einer großen Kampagne des Imagewechsels unterworfen. Hiesinger kämpft seit seiner Übernahme als Vorstand 2011 an mehreren Fronten gegen riesige Verluste aus früherem Mismanagement und Korruptionsskandalen, sowie den Folgen des rapiden Verfalls der europäischen Stahlindustrie.

Hiesinger’s Programm aus Rationalisierung und Transparenz ist von Martin Wocher im Handelsblatt als “neue Bescheidenheit der Ruhrbarone“ beschrieben worden (von denen es natürlich eigentlich schon lang gar keine mehr gab) und von Bernd Ziesemer in Capital als einen „verordneten Kultur- und Mentalitätswandel“, der es thyssenkrupp ermöglicht, aus der „Tradition der Korruption in der Stahlbranche“ auszuscheren.

Aber wie glaubwürdig und erfolgreich kann solch ein Kampf um das Aufpolieren des angeschlagenen Images von thyssenkrupp vor dem Hintergrund einer anhaltenden Intransparenz der Geschichtsschreibung des Unternehmens wirklich sein?

Fast als wollte sie die Widersprüchlichkeiten der Situation illustrieren ließ sich diesen Monat Francesca Habsburg, geborene Thyssen-Bornemisza, Enkelin von Heinrich, im Deutschen Fernsehen (“ZDF Hallo Deutschland Mondän: Wien”) als „schwer-reiche Thyssen-Erbin“ darstellen, „die kein Blatt vor den Mund zu nehmen braucht“. Als solche attackierte sie den österreichischen Staat als “heuchlerisch”, weil er den Namen Habsburg für den Tourismus ausnutze, sich jedoch weigere, ihre Kunstausstellungsaktivitäten mit Steuergeldern zu finanzieren. Dann setzte sie den Namen ihres Mannes herunter (und zwar durchwegs auf Englisch, nicht auf Deutsch!):

„Der Name Habsburg hat mich nicht beeindruckt. Ich war von ihm nicht überwältigt. Was mich beeindruckt hat, war mein Schwiegervater, und wie er die Familie zusammen gehalten hat. Ich glaube, die Familie hat erkannt, dass ich die Geschichte der Familie akzeptiert habe und dass sie durch mich eine komfortable [offensichtlich meinte sie finanziell komfortable] Zukunft hat“. (alle Zitate ungefähr aus der Erinnerung).

Aber natürlich ist es nicht die Geschichte der Habsburger, die Schwierigkeiten bereitet. Es ist die Geschichte ihrer eigenen, der Thyssen Familie und ihrer industriellen und Bankgeschäftsaktivitäten, aus denen sich ihr Vermögen herleitet, mit der sich Francesca Thyssen aus Demut tatsächlich einmal befassen sollte.

Thyssen ohne Stahl. Ein Symbol schwindender Unternehmensidentität.

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