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Ein Eingeständnis der Schuld der Batthyany-Thyssens – serviert durch eine Drehtür

UND WAS HAT DAS MIT MIR ZU TUN? mag einen literarischen Wert haben, oder auch nicht; insoweit es mich angeht ist dieser Punkt ohne Belang. Im Sinne der sachlichen Kritik, und meiner wohlüberlegten Ansicht nach, ist Sacha Batthyany ein arroganter, ichbesessener, scheinheiliger, überholter ungarischer Adeliger, dessen kleines Buch sich schwer dabei tut, den Stellenwert eines Sachbuchs zu erreichen, während der Interessenkonflikt seines Autors immer offensichtlicher wird.

Ich müsste zugeben, Sacha Batthyany gegenüber nicht besonders nachsichtig eingestellt zu sein, was mit seiner Kritik an der Genauigkeit meiner Arbeit zusammenhängt, von der er behauptet, sie sei der Anlass für sein Buch gewesen. Während ich die Quellen meiner Information offenlege ist es jedoch auffallend, dass er dies seinerseits nicht tut, abgesehen von einem hochstilisierten Zurückgreifen auf die Tagebücher seiner Großmutter (die er seltsamerweise plant zu vernichten, nachdem er deren bearbeiteten Inhalt veröffentlicht hat), sowie auf die Tagebücher eines der jüdischen Opfer seiner Familie.

Doch ausser einer gewissen Dankbarkeit für Sacha Batthyany’s Bestätigung, dass das Rechnitz-Massaker tatsächlich stattgefunden hat, und dass seine “Tante” Margit Batthyany (geborene Thyssen-Bornemisza) tatsächlich beteiligt war, muss ich auch eingestehen, dass er einen weiteren, ganz bemerkenswerten Zweck mit großer Fertigkeit erreicht. Durch eine Art literarische Alchemie und ohne jegliche formale Qualifikation (ausser einem Journalismus-Diplom) oder beruhen auf wissenschaftlichen Erkenntnissen hat Sacha Batthyany die Härte der Schuld (ein selbstauferlegtes Gefühl, welches Scham hervorruft) in eine Last der oktroyierten Verunglimpfung verwandelt (wodurch er Mitleid für sich erweckt). Dies könnte durchaus in großen Verkaufszahlen Ausdruck finden, hinter denen er und weitere Gleichgesinnte ihre erwähnte Schuld verbergen können, ohne weiterhin auf die mittlerweile ausgediente Floskel zurückfallen zu müssen, dass die Verbrechen der Vorfahren nur auf ihrem “Befehlsgehorsam” gründeten.

Es gelingt Sacha Batthyany auch, einige Momente in denen er einer Demonstration von Anti-Semitismus sehr nahe kommt, hinter seiner Haltung gegenüber der von ihm angegebenen jüdischen Rolle in der Entwicklung des Kommunismus zu verbergen. Sein virulenter Anti-Kommunismus und seine spektakuläre Dämonisierung Josef Stalins wird bei denen ein offenes Ohr finden (viele davon auch in England und Amerika), die ebenfalls der Meinung sind, dass Stalins Verbrechen so viel schlimmer waren als die von Adolf Hitler. Aber sein größter Stein des Anstoßes gegenüber den Kommunisten scheint sein Beharren darauf zu sein, sie seien dafür verantwortlich gewesen, dass die Familie Batthyany ihr Land, ihre Macht und ihren Ruhm verlor; wobei er vergisst, seine Leser darauf hinzuweisen, dass im Fall des Rechnitzer Schlosses (ehemals Schloss Batthyany), seine Familie es, zusammen mit fünf tausend Morgen Land, vielmehr weit vor 1906 an finanziell besser situierte Besitzer (und schlussendlich an die Thyssens) abtreten musste.

Sacha Batthyanys Beschäftigung mit dem Rechnitz-Massaker von 1945 bildet nur einen kleinen Teil seines Buches; quasi nichts weiter als einen Prolog. Er bevorzugt die offizielle Version der Geschehnisse durch die österreichischen Behörden und wiederholt die altbekannte Angabe, die Juden seien nur getötet worden, um die Ausbreitung des Fleckfiebers zu unterbinden und als direkte Konsequenz eines Telefonanrufs, der von höherer Stelle im Rechnitzer Schloss einging. Er sät Zweifel an der Anwesenheit von “Tante” Margits Ehemann, Ivan Batthyany, in der verhängnisvollen Nacht. Auch weist er alle Beweise zurück, die ihm vom verstorbenen Historiker des Städtchens, Josef Hotwagner, zur Verfügung gestellt wurden. Er lehnt unsere Beweise ab, ignoriert die veröffentlichten Resultate der russischen Untersuchungen und beschuldigt die Einwohner von Rechnitz, das Schloss geplündert zu haben, statt dass er die Hinweise akzeptiert, dass sie vielmehr versuchten, das Feuer zu löschen, welches die flüchtenden deutschen Soldaten gelegt hatten, um eine Nutzung des Gebäudes durch die herannahende Rote Armee zu verhindern (dies ein Teil des Nero-Befehls, dessen örtlicher Vollzug ein viel wahrscheinlicherer, übergreifender Grund für den erwähnten “Telefonanruf” gewesen sein dürfte).

Die gleiche abwertende Haltung den Einwohnern von Rechnitz gegenüber wurde schon von Christine Batthyany in Beantwortung von Fragen des Jewish Chronicle 2007 an den Tag gelegt. Sie stritt jegliche Teilhaberschaft von Margit Batthyany-Thyssen am Massaker ab und behauptete, dass gegenteilige Angaben von “missgünstigen Dorfbewohnern verbreitet” worden seien. Angesichts der Tatsache, dass Rechnitz mit umliegendem Landbesitz vor dem 20. Jahrhundert ein Lehnsgut war, über das die Batthyanys regierten, die, wie die Thyssens, Nazi Kollaborateure wurden, ist es vielleicht verständlich, dass einige Einwohner nicht unbedingt voll von Wärme und brüderlicher Liebe waren; obschon Sacha Batthyany darauf besteht, dass die Rechnitzer Bürger, die er traf, “peinlich” unterwürfig ihm gegenüber auftraten.

Sacha Batthyany vervollständigt seinen Kommentar zum Rechnitz-Massaker mit einer ungestützten Aussage, dass er “sicher” sei, dass “Tante Margit nicht geschossen hat…..Sie hat keine Juden ermordet, wie die Zeitungen behaupten. Es gibt keine Beweise. Es gibt keine Zeugen.” Obwohl er natürlich nicht sicher sein kann. Ich habe nie behauptet, dass sie persönlich Juden erschossen hat, aber, da Zeugen ausgesagt hatten, dass sie ein offensichtliches Wohlgefallen dabei hatte, zuzuschauen wie jüdische Zwangsarbeiter, die im Keller des Schlosses untergebracht waren, geschlagen und getötet wurden, und da sie in der Benutzung von Feuerwaffen versiert war, war es äusserst wahrscheinlich.

Nachdem er nun das Gewissen von beiden Familien (sowohl Thyssen als auch Batthyany) hinsichtlich des Rechnitz-Massakers beschwichtigt hat, ohne dabei viel an sich entschuldigender Betroffenheit über den Tod von hundert achtzig Juden an den Tag zu legen, (oder angesichts der Tatsache, dass sein Zweig der Familie sich noch viele weitere Jahre auf die Profite der deutschen Kriegsmaschinerie, via “Tante” Margit, verlassen hat), ging Sacha Batthyany dazu über, weitere Verbrechen gegen die Menschlichkeit in seiner Familie anzusprechen, um damit seine ichbesessene Suche nach Absolution zu befriedigen. Man sollte ihn vielleicht daran erinnern, dass die finanzielle Unterstützung seines Zweiges der Familie durch seine Großtante und ihre Bereitstellung eines sicheren Hafens für sie, Margits Bruder Heini Thyssen zu der Äußerung veranlasste, sie seien nichts weiter als eine Bande untauglicher Schmarotzer. Diese etwas extreme Meinung wird möglicherweise verständlich, wenn man sich Heinis Aussage vor Augen hält, dass Margits Ehemann “Ivy” eine Affäre mit Heini Thyssens erster Frau, Prinzessin Theresa zu Lippe Bisterfeld Weissenfeld unterhielt, um seinen gesellschaftlich höher gestellten Rang den Thyssens gegenüber auszudrücken.

Erstaunlich fand ich es letztlich auch, dass die angeschlagene UBS Bank, die natürlich jegliche Werbung gut gebrauchen kann, dieses Buch gesponsort hat; genauso wie eine ominöse schweizer Stiftung mit dem Namen Goethe Stiftung Zurich. Bisher haben weder die Thyssens noch die Batthyanys (vor allem die Zweige der Familie, die sich nicht einer bequemen Abhängigkeit von Thyssenscher Finanzkraft hingegeben haben) “Und Was Hat Das Mit Mir Zu Tun?” in irgend einer Weise kommentiert; zum Beispiel indem sie Sacha Batthyany’s Werk für seine vermutlich geschätzte Beschwichtigung hinsichtlich des Rechnitz-Massakers dankend anerkannt hätten. Wir schauen mit Interesse auf die weiteren Entwicklungen in dieser Hinsicht.

Der Heilige Sacha, beim Umwandeln eines schuldigen Gewissens in eine leidvolle Unschuld (photo copyright: Maurice Haas)

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Buchrezension: Thyssen im 20. Jahrhundert – Band 1: “Die Vereinigte Stahlwerke AG im Nationalsozialismus, Konzernpolitik zwischen Marktwirtschaft und Staatswirtschaft”, von Alexander Donges, erschienen im Schöningh Verlag, Paderborn, 2014.

Dieses Buch über das “Gemeinschaftsunternehmen zu dem Unternehmen der Thyssen-Gruppe zählten” beginnt mit der Aussage des Autors, es sei “erstaunlich, dass sich die moderne unternehmenshistorische Forschung noch nicht intensiver mit der Entwicklung des Konzerns in den Jahren 1933 bis 1945 auseinandergesetzt hat”. Offensichtlich wurde die in unserem Buch enthaltene, unabhängige wissenschaftliche Information nicht anerkannt, obwohl sie Auslöser dafür war, dass Dr. Donges und seine akademischen Kollegen mit dem Umschreiben der Thyssen Geschichte beauftragt und dafür gefördert wurden.

Erst in der Mitte des 400-Seiten schweren Traktats rückt er schließlich damit heraus, dass die Vereinigten Stahlwerke (VSt, Vestag) massiv im Rüstungsgeschäft tätig waren, aber dass “in der Forschung (dies) bislang nicht hinreichend beachtet (wurde), sodass die Vestag im Gegensatz zu Unternehmen wie dem Krupp-Konzern eher als Roheisen- und Rohstahlproduzent wahrgenommen wird”.

Die Entscheidung, wie man auf solche ganz offensichtlich manipulierten Behauptungen reagieren soll fällt schwer und wir fragen uns, ob es Dr Donges jemals in den Sinn gekommen ist, dass die Dimensionen der bisherigen fälschlichen Darstellung so bedeutsam sind, dass der Schluss auf der Hand liegt, dass sie nicht zufällig sondern absichtlich zustande kam.

Da die Thyssens zusammen mit dem Deutschen Staat zu Beginn von Hitler’s Diktatur 72,5% der Vereinigten Stahlwerke kontrollierten, und deren Ausstoß drei Mal so groß war wie der ihres größten Konkurrenten, war es stets unlogisch, dass Alfried Krupp im Nürnberger Prozeß zu einer Haftstrafe verurteilt wurde, während die Thyssens ungeschoren davon kamen. Sie konnten dies aus vielen verschiedenen Gründen, die in unserem Buch ausführlich beschrieben werden, und so wurde der Mythos ihrer heldenmütigen Unbeflecktheit erschaffen.

Es ist offensichtlich, dass die akademische und die Medienwelt in Deutschland willens waren, diesem Mythos zu folgen statt ihn zu hinterfragen, wie wir es getan haben. Zu ihrer Verteidigung mögen sie anführen, dass sie gewisse Dokumente nicht einsehen konnten und ihre Forschungen dadurch behindert waren. Doch während die Archive der Thyssen-Bornemiszas tatsächlich bis vor kurzem für die akademische Welt unzugänglich waren, bestand für die Akten des 53-Jahre alten ThyssenKrupp Archivs keinerlei Zugangsbeschränkung (offiziell jedenfalls nicht; die Wahrheit steht auf einem anderen Blatt).

Als Georg Thyssen-Bornemisza ca. 2006/7 die Stiftung zur Industriegeschichte Thyssen ins Leben rief und ihr die Archive seines Vaters übergab (welche wir zuvor privat in Madrid und später in Monte Carlo eingesehen hatten), unterstellte er diese der fragwürdigen Pflegschaft von Prof. Manfred Rasch, Leiter des Archivs der ThyssenKrupp AG und sogar, so scheint es, zur Aufbewahrung im selben Gebäude in Duisburg, welches das ThyssenKrupp Archiv enthält.

Dieser erstaunliche Transfer hatte zur Folge, dass die Akten der Familie Fritz Thyssen mit den Akten der Familie Heinrich Thyssen-Bornemisza symbolisch vereinigt wurden; ein unglaublicher Akt, wenn man bedenkt, wie wichtig es für die Aufrechterhaltung des geschichtlichen Thyssen-Mythos war, stets zu betonen, dass die eine Seite der Familie mit der anderen Seite nichts zu tun hatte – ein Mythos, den die drei ersten Bücher dieser Reihe nichtsdestotrotz weiter fortsetzen.

Bei näherer Einsicht der Bestände, jedoch, scheinen kuriose interne Restrukturierungen der Akten in den beiden Archiven vorzugehen. Da sind zum einen wichtige Akten, von denen wir wissen, dass sie vormals im ThyssenKrupp Archiv waren, wie z.B. (erstaunlicherweise) der Nachlass von Wilhelm Roelen (Hauptmanager von Heinrich Thyssen-Bornemisza) oder der Nachlass von Robert Ellscheid (Hauptanwalt von Fritz und Amélie Thyssen) und von denen jetzt behauptet wird, sie befänden sich im Archiv der neuen Stiftung zur Industriegeschichte Thyssen.

Was aber besonders aus den Fußnoten hervorsticht ist, dass immer und immer wieder wenn es speziell um militärische Rüstung geht, die Akten meist aus dem Archiv der neuen Stiftung zur Industriegeschichte Thyssen stammen sollen, und nicht aus dem der ThyssenKrupp AG, sodass man das Gefühl bekommt, hier könnte eventuell eine Schadensbegrenzung zugunsten des kränkelnden Riesen der deutschen Schwerindustrie im Gange sein.

Auf alle Fälle ist eines der wenigen, bedeutenden Eingeständnisse dieses Buches, dass die Flucht Fritz Thyssens von Deutschland in die Schweiz bei Ausbruch des Zweiten Weltkriegs weniger mit heroischer Auflehnung gegen Hitler, und mehr mit der Tatsache zu tun gehabt haben könnte, dass er massiv gegen Devisenbestimmungen verstoßen und Steuern hinterzogen hatte, von der wir zuerst berichteten (obschon es nichts über weitere Gründe für seine Flucht aussagt, wie zum Beispiel Hitlers erniedrigende Anschuldigung des Eigennutzes).

Während Dr Donges die Verfehlungen Fritz Thyssens in Zahlen festhält, nämlich 31 Millionen Reichsmark in hinterzogenen Steuern plus 17 Millionen RM Reichsfluchtsteuer, also ein Gesamtbetrag von 48 Million RM, der an den deutschen Staat zu zahlen gewesen wären, mildert er die Aussage ab, indem er behauptet, das Entnazifizierungsverfahren von 1948 sei nicht zu dem Schluss gekommen, dass dieser Aspekt eine wichtige Rolle bei Fritz Thyssens Flucht gespielt habe. Dr Donges unterlässt es jedoch, diesen Beweis zu qualifizieren – wie es andere Autoren in dieser Reihe tun – und darauf hinzuweisen, dass die ehrliche Aufarbeitung durch diese Gerichte zum Erliegen kam sobald der Kalte Krieg begann.

Es ist auch bemerkenswert, dass der Autor behauptet die kritische Steuerfahndung in Sachen Fritz Thyssen habe Ende der Zwanziger Jahre begonnen, obwohl diese in Wirklichkeit bereits bald nach dem Ersten Weltkrieg ihren Anfang nahm.

Das Buch bringt es fertig, zu veröffentlichen, dass die zurückgezogen lebende Joseph Thyssen Seite der Familie (vom Bruder des alten August Thyssens abstammend) indirekt von der Verfolgung von Juden profitierte, da das Reich ihnen nach Fritz Thyssens Flucht und der Beschlagnahmung seines Vermögens, den Wert ihrer VSt-Aktien, nämlich 54 Million RM, mit Aktien aus jüdischem Besitz erstattete, die durch die Judenvermögensabgabe an das Reich gekommen waren.

Aber es war Fritz Thyssen, dessen Anti-Semitismus offensichtlich war, während er in prominenter Position 1933/4 daran beteiligt war, die jüdischen Mitglieder Paul Silverberg, Jakob Goldschmidt, Kurt Martin Hirschland, Henry Nathan, Georg Solmssen und Ottmar E Strauss aus dem Aufsichtsrat der VSt zu drängen. Und ganz gleich wie oft man in dieser Serie versuchen wird, uns weiszumachen, dass Fritz Thyssen sich nach 1934 “selbst stufenweise ent-nazifierte” und dass seine Judenfeindlichkeit nicht von der bösartigen, mörderischen Art war, so müssen wir uns daran erinnern, dass die wirtschaftliche Entrechtung der Juden den ersten Schritt auf dem Weg zum Holocaust darstellt.

Als die Simon Hirschland Bank in Essen 1938 “arisiert” und von einem Konsortium übernommen wurde, an dem die Deutsche Bank und die Essener National-Bank AG beteiligt waren, kaufte Fritz Thyssen einen Anteil von 0.5 Millionen RM, aber seine Rolle wird als “fraglich” bezeichnet und gesagt, dass “in der Forschung nur ungenau beantwortet (wird) welche Rolle Thyssen bei der Gründung dieses ‘Arisierungs-Konsortiums’ spielte”. Dies ist eine Methode, mit der Akademiker Zweifel an etablierten Einschätzungen aussähen, vor allem wenn diese für die Thyssens rufschädigend sind und sie von ihnen beim Umschreiben ihrer Geschichte gefördert werden.

Natürlich bleibt die sehr wichtige Finanz- und Bankenseite der Fragestellung genauso unterbelichtet, wie sie es zur Zeit des Geschehens war. Dr Donges erwähnt anonyme Holdings in den Niederlanden, der Schweiz und in den USA; dass das Reich die Rüstungsfinanzierung über die Metallurgische Forschungsanstalt verschleierte; und Faminta AG im schweizerischen Glarus, von dem er behauptet, es sei ein ausländisches Instrument der Thyssen & Co., nicht von Fritz Thyssen persönlich, gewesen. Er nennt nicht die Namen der amerikanischen Anleihegläubiger und sagt aus, dass die Rolle des Finanzministeriums im Dritten Reich noch nicht ausreichend erforscht worden ist.

Und während Dr Donges auf Seite 28 in oberflächlichster Weise informiert, dass nach dem Tod des Patriarchen August Thyssen 1926, Fritz Thyssen seinem Bruder Heinrich “einen Teil” der VSt Aktien abtreten musste (es waren anfänglich nicht weniger als 55 Millionen RM, für die er im Gegenzug Anteile an der Familien-eigenen Bank voor Handel en Scheepvaart in Rotterdam erhielt, die von Heinrich Thyssen-Bornemisza kontrolliert wurde), beschreibt er nirgends, wie lange dieser Anteil wohl im Besitz von Heinrich Thyssen-Bornemisza verblieb und ob er sich noch in seinem Besitz befand, als das Vermögen von Fritz Thyssen 1939/40 konfisziert wurde (und falls ja, was dann damit geschah).

Statt dessen konzentriert sich der Autor auf die “Nutzung von politischen, rechtlichen und gesellschaftlichen Optionen für den wirtschaftlichen Erfolg” in der NS-Zeit. Er veranschaulicht “die unternehmerischen Vorteile des Ausbaus der Rüstungsbetriebe” und stellt fest: “Auch wenn die Handlungsspielräume im Vergleich mit der Weimarer Republik aufgrund zahlreicher Restriktionen eingeschränkt waren, konnte die Konzernleitung (der VSt) weiterhin eine langfristig ausgerichtete Investitionsstrategie verfolgen.”

Und so endet das Buch mit der weltbewegenden Schlussfolgerung: “Betrachtet man die Entwicklungslinien der deutschen Stahlindustrie im 20. Jahrhundert, so bewegten sich die Stahlerzeuger im langfristigen Trend hin zur Weiterverarbeitung. Daher wäre die Vestag (Vereinigte Stahlwerke AG) in den 1930er Jahren wohl auch unter einem anderen politischen Regime diesen Weg gegangen”.

So muss man annehmen, dass dies der Hauptgrund für dieses Werk war: das Image der ThyssenKrupp AG und das Gewissen überlebender Mitglieder der Thyssen-Familie, die von der Rolle der Vereinigten Stahlwerke AG beim Tod von 80 Millionen Menschen als Auswirkung des Zweiten Weltkriegs profitiert haben – und dies noch tun – sauber zu halten.

Es ist nicht ersichtlich, wie Dr Donges mit seiner Doktorarbeit tatsächlich die Forschungslücke zum Thema Vereinigte Stahlwerke in der Nazi-Periode auch nur annähernd “schließen” könnte, wie in der Missionsaussage zur Projektreihe “Familie – Unternehmen – Öffentlichkeit. Thyssen im 20. Jahrhundert” zu lesen steht.

Ob jemand ausserhalb des Zirkels der offensichtlich Thyssen-finanzierten Forscher in Folge dessen aus dem “großen, bedingungslosen Schlummer” erwachen und beschließen wird, eine etwas kritischere Forschung zu betreiben, wird sich zeigen. Akademische Buchrezensionen (z. B. von Tobias Birken bei Sehepunkte, oder Tim Schanetzky bei H-Soz-Kult) lassen bisher nicht viel Hoffnung auf eine wirklich kritische Auseinandersetzung aufkommen. In jedem Falle ist es eine ganz andere Frage, wie abweichende Akademiker empfangen würden, wenn sie an die Tür der “Archive des Professors Rasch” anklopften.

Der Volkswirt (Dr.) Alexander Donges, wie er seinen Titel an der Universität Mannheim als akademischer Thyssen-Söldner verdient

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