Warum ich mich über die Thyssens ärgere (von Caroline D Schmitz)

Als ich 1992 Deutschland verließ und nach England zog hatte mein Vaterland gerade erst begonnen, den Kalten Krieg, während dessen die Aufarbeitung der Nazi Vergangenheit zum Erliegen kam, hinter sich zu lassen. In England hatte ich die unfassbare Gelegenheit mit David Litchfield an einer Biographie der Thyssen Familie zu arbeiten, für deren Vervollständigung und Publikation in England, Spanien und Deutschland wir 14 Jahre benötigten.

Jetzt bin ich zurück in Deutschland und freue mich zu sehen, dass ein neuer Wind in Sachen Aufarbeitung weht. Aber dem stehen die Hinterfragten teils immer noch mit erheblichem Widerstand entgegen. Dabei ist die Zeit nunmehr überreif für die Abkömmlinge derer, die damals in verantwortlichen Positionen waren, zu sagen „Ja, was passierte war schrecklich, und unsere Familien geben zu, was genau ihre Rolle dabei war und wir bekennen, dass es uns leid tut“.

Statt dessen geben speziell die Thyssens immer noch große Summen aus, um geklitterte Versionen ihrer Geschichte zu produzieren. Das ist besonders schmerzhaft für Leute wie mich, da meine Familienmitglieder Soldaten in Hitler`s Krieg waren, getötet wurden oder verletzt, und sie zu keinem Zeitpunkt auch nur die geringste Unterstützung erhielten, um mit ihren höchst traumatischen Kriegserlebnissen zu Rande zu kommen. Das ist eine Tragödie, die einen überwältigenden Langzeiteffekt auf die deutsche Gesellschaft hat. Und darum ärgere ich mich so über das Verhalten der Thyssens.

Heini Thyssen`s Witwe, Carmen Cervera, hat dieses Jahr in Spanien seine „Memoiren“ veröffentlicht. Das Meiste davon ist theatralischer Unfug, aber das Buch enthält auch einige, unbeabsichtigte interessante Informationen, die wir im neuen Jahr auf dieser Webseite vorstellen werden. Besonders konstrastieren werden wir dieses „Werk“ mit einem anderen, größeren Thyssen Weisswasch-Projekt, welches 2014 die ersten Früchte getragen hat.

Als unser Manuskript 2006 zirkulierte gründete Heini`s Sohn Georg Thyssen die „Stiftung zur Industriegeschichte Thyssen“ und schloss sich später mit der Fritz Thyssen Stiftung und dem ThyssenKrupp Archiv unter Manfred Rasch zusammen. Sie beauftragten über ein Dutzend Akademiker unter der Leitung von Margit Szöllösi-Janze, Günther Schulz und Hans Günter Hockerts, um eine Reihe von Büchern über „Die Thyssens im 20. Jahrhundert“ zu schreiben. Bisher sind zwei Bände veröffentlicht worden: „Die Vereinigte Stahlwerke AG im Nationalsozialismus“ von Alexander Donges und „Zwangsarbeit bei Thyssen“ von Thomas Urban. Ein dritter Band, “Die Thyssens als Kunstsammler” von Johannes Gramlich, soll im März 2015 erscheinen und danach mindestens fünf weitere Bände.

Obwohl diese Bücher in der Tat einige Eingeständnisse enthalten, so ist der überwiegende Tenor jedoch, dass eine direkte Verantwortung der Thyssens weiterhin nicht akzeptiert wird. Die verschleiernden Verschachtelungen der Missionsaussage können der Zusammenfassung einer Tagung entnommen werden, die zu diesem Projekt im Juni 2014 in der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften stattfand.

In den kommenden Monaten und Jahren werden wir, basierend auf unseren Forschungen und im Interesse der historischen Wahrheitsfindung, unseren Lesern auf dieser Webseite eine detaillierte, kritische Analyse dieser Thyssen-finanzierten „Aufarbeitung“ zur Verfügung stellen.

Freiburg im Breisgau nach einem britischen Bombenangriff, November 1944

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